Skulptur "Ich trag' meistens ein Poloshirt" von Claudia Barcheri
Ein Stapel Kleider liegt, feinsäuberlich geschichtet, im Hof der Südtiroler Siedlung in Wörgl: Man kann Hemden, Pullis, eine Baseball-Kappe und mittendrin einen Turnschuh gut erkennen. Die Anziehsachen sind allerdings nicht aus Stoff – sondern aus Bronze. Und die Ordnung der Dinge weicht ein wenig vom Alltag ab.
„Ich trag‘ meistens ein Poloshirt“ heißt das Kunstwerk am Bau, das Claudia Barcheri für die neue Wohnanlage der NHT an der Josef-Steinbacher-Straße entwarf. Für ihre Arbeit bat die Künstlerin alle Bewohner darum, ihr jeweils für sie typische Kleidungsstücke zur Verfügung zu stellen. Sie stapelte die Textilien, schuf einen Abdruck davon und ließ diesen anschließend in Bronze gießen.
Ihre Plastik platzierte sie auf einem Sockel in Augenhöhe dort auf der Rasenfläche des Innenhofes, wo sich die Sichtachsen kreuzen. Der Stapel von rund 18 Kleidern ist akkurat aufeinandergeschichtet und in einem stabilen Gleichgewicht – und doch nicht so sortiert wie im Schrank. Dabei bildet der Bronzeguss die Materialität der einzelnen Teile bis ins Detail verblüffend realistisch nach: den Bommel einer Mütze, das Seil am Bund einer Jogginghose, die Knopfleiste eines Hemdes, das Zopfmuster eines Strickpullis.
Claudia Barcheri schuf ein partizipatives Kunstwerk, das die aktuellen Anwohner miteinbezieht und so zur Stärkung der Identifikation mit der Wohnanlage beiträgt. Aus vielen Individuen entsteht hier eine Gemeinschaft – die allerdings durch ständigen Wandel geprägt ist. Zugleich steht ihre Plastik sinnbildlich für die Tatsache, dass jeder Mensch – nicht nur räumlich – seinen Platz im Leben finden muss. So ist „Ich trag‘ meistens ein Poloshirt“ ein Erinnerungszeichen, welches das Kostbarste beschwört, das eine gute Siedlung ausmacht: Gemeinsinn, gegenseitigen Respekt und Zusammenhalt.
Text: Roberta De Righi
Fotonachweis: NHT/Vandory, Leonie Felle
Wörgl - Claudia Barcheri
Josef-Steinbacher-Straße 19
6300 Wörgl