"ohne Titel" von Anna-Maria Bogner
Menschen verändern den Raum, während der Raum auf die Menschen wirkt. Es ist ein interdependenter Prozess der nirgends deutlicher wird als an Grenzen. Wir befinden uns in einem konstanten Fluß der Veränderung. Während wir den Raum um uns herum gestalten, verändern wir nicht allein seine physische Beschaffenheit sondern auch den Blick auf ihn, erschließen uns neue Räume und sehen diese wiederum im Lichte unserer neuen Blickwinkel. Das Riedmann-Areal in Kundl verkörpert diesen Prozess von Gestaltung, Raumaneignung, -wahrnehmung und -erschließung beispielhaft. Der ehemalige Standort des örtlichen Sägewerks markierte lange Zeit die Grenze von Kundl. Eingegrenzt von Eisenbahntrasse und Ache, die zugleich die Lebensadern des Ortes bildeten, trafen hier erschlossener Raum und Natur aufeinander. Erst mit dem Wachstum von Kundl und der "Befriedung" der Ache verlor der Wildbach seinen Charakter als natürliche Grenze. Das Dorf stieß bis an seine Ufer vor. Der Blick auf das Land jenseits seines Bettes veränderte sich. Es wurde greifbar und ist heute fester Bestandteil von Kundl. Die Ache ist keine Grenze mehr, sondern durchzieht Kundl wie eine Wachstumslinie. Sie ist eine Achse des Ortes.
So wie Räume unser Denken bestimmen, konstruieren wir unsere Orte zuerst in unserem Denken. Der Blick über den Fluß lässt uns das Dorf sehen, das wir betreten wollen, bevor wir es bauen. Das Riedmann-Areal ist ein Symbol für den Grenzübertritt. Die alte Dorfgemeinde, die von der Kraft des Flusses lebte, dessen Energie das alte Sägewerk das hier stand, versorgte, wurde zugleich von seiner Gewalt bedroht. Heute ist er einer der vitalen Erholungsräume des Ortes. Zudem unterlief das ehemalige Betriebsgelände gleich mehrfach eine Metamorphose: Vom Sägewerk zum Lager des Reichsarbeitsdienstes, von der Ziegelfabrik zur Holz verarbeitenden Industrie hin zum neuen Wohnprojekt der Marktgemeinde Kundl.
Das geplante Objekt ist ein Versuch die interdependente Verschränkung von Raumwahrnehmung, kognitiver Konstruktion von Raum und dessen Gestaltung erlebbar zu machen. Ausgerichtet in Richtung des Verlaufs der Ache markiert es die natürliche ehemalige Grenze und stellt zugleich die Frage nach dem, was hinter ihr liegt. Konstitutives Element der Arbeit ist die Annahme, dass die Konstruktion von Raum ein Produkt unserer Kognition ist. Abhängig von unseren individuellen Blickwinkeln und unseren Erkenntnissen unterscheiden sich auch die Räume die wir sehen und imaginieren. Gegebenes, Gewesenes und Kommendes verwebt sich mit den Blickwinkeln und Erwartungen der Betrachtenden.
Kundl - Anna-Maria Bogner
Riedmann-Areal
6250 Kundl