In den Palästen der Erinnerung
Innsbruck

In den Palästen der Erinnerung
Innsbruck

Panzing Süd, BogenIn den Palästen der Erinnerung, 2015 von Eva Schlegel

Eva Schlegels Projekt ist ein in-situ-Werk für einen langen Durchgang in der Wohnanlage der Neuen Heimat Tirol. Im oberen Bereich der Seitenwände der Passage werden Spiegel montiert, sodass sich die Bogenkonstruktionen unendlich spiegeln. Es entsteht ein eindrucksvoller, riesiger Raum, vergleichbar einem wunderbaren Palast. Der Titel des Werkes, ,,ln den Palästen der Erinnerung", nimmt Bezug auf das gleichnamige Buch des Wissenschaftsjournalisten und Autors, George Johnson, der in seinem Buch eine Phänomenologie der heutigen Neurowissenschaften entwirft. Der Untertitel lautet Wie die Welt im Kopf entsteht. Es geht um den Raum als eine Kategorie des Denkens, um die Beziehungen zwischen dem materiellen, erfahrbaren architektonischen Raum und seine Transformation in einen immateriellen Denkraum. Eva Schlegel beschäftigt sich in ihren Installationen oft mit Fragen existentieller Bedingungen: Schwerkraft und Leichtigkeit, Stofflichkeit und lmmaterialität, Wirklichkeit und Wahrnehmung. Deshalb hat sie eine Vorliebe für bestimmte Materialien, die diese Ambiguität konstitutiv verkörpern. In diesem Fall ist es der Spiegel. Einerseits ist der Spiegel ein reales Objekt, physikalisch gesehen eine sehr glatte reflektierende Fläche, bei der ein Abbild der realen Umgebung entsteht. Die Gewölbe der Passage sind ein schöner architektonischer Kontrapunkt, den die Künstlerin durch Hinzufügen zweier weiterer Bögen noch intensiviert. Durch die intendierte Unendlichkeit des Raumes ist zum einen die Frage nach der Wirklichkeit präsent, zum anderen öffnet sich der Raum selbst ins Unermessliche. Dieser Raum ist nicht greifbar, er verändert sich beim Durchgehen. Die helle Beleuchtung und die Weite des Raumes verleihen der Passage eine angenehme Atmosphäre. In diesem von äußeren Einflüssen gleichsam losgelösten Raum entsteht ein Raum jenseits der sichtbaren realen Architektur, ein rein vorgestellter Raum. Die Welt, wie Johnson sagt, entsteht im Kopf.

Eva Schlegels Installation spiegelt im wahrsten Sinne des Wortes eine Wirklichkeit wider, die sich auf Denkprozesse bezieht. Es ist ein luzider Raum, ein Raum vielleicht persönlicher Erinnerungen, von Geschichten und Empfindungen. Gerade in einem Kontext wie der großangelegten Wohnanlage ist dieser palastgleiche, leere, helle und weite Raum wie eine Oase des lnnehaltens und der Reflexion. Im Gegensatz zum äußeren Gang der Dinge und des Alltags ermöglicht er einen Augenblick des lnnehaltens, der Ruhe. Die Transparenz der Passage, die Durchlässigkeit des Blickes durch die lmmaterialität und den ephemeren Charakter der Spiegel, die Schönheit des Gewölbes als architektonischer Raum, aber vor allem auch als reines Spiegelbild, dies alles fügt sich harmonisch in die Gesamtanlage der Neuen Heimat Tirol. Mit minimalen Mitteln verändert und überhöht Eva Schlegel die Wirklichkeit und macht diesen historischen Ort zu einem „Palast der Erinnerung". Die Passage wird zu einer sehr persönlichen Raumerfahrung, bei der Aspekte wie Weite, Offenheit oder die Frage nach der Wirklichkeit wesentliche Konstituenten unseres Lebens verkörpern.

Innsbruck - Eva Schlegel

Südtiroler Siedlung
6020 Innsbruck